15. Pädagogische Sommerakademie und Klassenlehrerfortbildung 2022 in Tübingen (Do. 28.7 - So.31.7.2022)
Hand, Herz und Kopf – Qualitäten des Lernens – Sehr schnell war für unseren kleinen Vorbereitungskreis das Thema dieser Sommerakademie gefunden. Sehr schnell war mir auch deutlich, dass ich die drei Worte Kopf, Herz, und Hand genau in der anderen Reihenfolge: Hand, Herz und Kopf mit den Qualitäten des Lernens in der Waldorfpädagogik verbunden haben wollte. Ich erlebe Kinder in ihrem Lernen immer so, dass sie zunächst beginnen, tätig mit den Gegenständen umzugehen. Ihre Hände zu benutzen, um die Welt zu erfassen. Wenn wir an die klassische Epoche in der dritten Klasse vom Korn zum Brot denken, wird genau diese Reihenfolge gewählt: Die Kinder pflügen gemeinsam den Acker und bereiten ihn in Handarbeit vor zur Aufnahme des Samens. Später wird geerntet, das Getreide gemahlen und Brot gebacken. Durch die Arbeit und die Geschichten der Lehrer:innen und Landwirte:innen wird eine Herzensverbindung mit dem Geschehen eingegangen und im Aufschreiben und Reflektieren des Erlebten, im Malen der Bilder wird schließlich auch der Kopf in den Lernprozess einbezogen. In allen Befragungen von Pädagog:innen wird die Trias Kopf, Herz und Hand unmittelbar mit Pestalozzi verbunden. Allerdings ist es nicht leicht, ein wirkliches Originalzitat zu finden, um zu überprüfen, ob er etwa auf die Reihenfolge Wert gelegt habe. Auf der Webseite des Vereins: Pestalozzi im Internet taucht sofort der folgende Satz auf: «Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) gilt als einer der Klassiker der Pädagogik und als Wegbereiter einer allgemeinen Bildung für alle Menschen. Seine Maxime der harmonischen Bildung des heranwachsenden Menschen – Kopf, Herz und Hand – ist weithin unbestritten und prägt bis heute Bildungspläne und Unterrichtspraxis vieler Schulen.» In den weiteren Recherchen zu dem Thema erschien es für mich sehr plausibel, dass Pestalozzi insbesondere das Herz in den Mittelpunkt der pädagogischen Bemühungen gestellt hat und dann die Polarität von Kopf und Hand. Nach zwei Jahren, die für die Kinder und uns als Lehrer:innen unter dem Zeichen der Pandemie standen, wollen wir die pädagogische Sommerakademie 2022 nutzen, um neben den intensiven Vorbereitungen auf das nächste Schuljahr mit dem Tagungsthema und den Vorträgen die Qualitäten des Lernens in den Mittelpunkt zu rücken. Eine Pädagogik der Zukunft wird sich immer an ihrer tiefen und umfassenden Menschlichkeit messen lassen müssen. Gewohnheiten, Traditionen und Dogmen sind oft die Bremsklötze sich entwickeln wollender Lern- Gemeinschaften. Das ist auch Rudolf Steiner 1923 aufgefallen und so formulierte er über die Zukunft der Anthroposophischen Gesellschaft, was meines Erachtens auch für die Waldorfpädagogik gilt: «Und diesen Unterschied der anthroposophischen Bewegung gegenüber anderen Bewegungen, den müßte man sich bestreben, der Welt klar zu machen: ihr Umfassendes, ihr Unvoreingenommenes, ihr Vorurteilsloses, ihr Dogmenfreies: dass sie bloß eine Versuchsmethode des allgemein Menschlichen und der allgemeinen Welterscheinungen sein will.» Wir freuen uns auf das gemeinsame Arbeiten an den Qualitäten unserer Pädagogik und unseres Mensch-seins. Christian Boettger |